Die Ziele bestehen darin sich als Konfliktcoach zu üben und eine tiefergehende Erfahrung mit dem Wertequadrat zu machen. Es ist also zur einen Hälfte ein Methodentraining und zur anderen Hälfte eine Selbsterfahrung. Idealerweise entwickeln Sie bei der Übung eine erfahrungsbasierte Vorstellung davon,
"Wie Sie das Wertequadrat im Konfliktcoaching einsetzen können"
Ärger deutet auf Werte
Wenn man sich über jemanden ärgert, ist dies ein Zeichen dafür, dass die eigenen Werte verletzt sind. Hier ist die erste Herausforderung, sich einzugestehen, dass etwas einem so nahe geht, dass man "ausser sich ist" und sich eben ärgert. Hat man sich den Ärger eingestanden und erlaubt, so steht man vor der zweiten Herausforderung: Herauszufinden, was genau hinter diesem Ärger steht und was er einem nun bedeutet. Wir werden an diesen beiden Herausforderungen mit je einer Methode arbeiten:
- Methode "Die Stunde der Wahrheit" -> Sich-Ärger-erlauben
- Methode: "Wertequadrat" -> Bedeutungsfindung
Ablauf
Die Übung wird zu zweit bearbeitet. Einer übernimmt die Rolle des Protagonisten, der andere die Rolle des Beraters. Der Protagonist bringt einen persönlichen Fall ein, das heisst er oder sie ist selbst betroffen. Nach dem ersten Durchgang treffen wir uns im Plenum für ein erstes Review zur Methode und den Erfahrungen. Im zweiten Durchgang werden die Rollen gewechselt.
1. Individuelle Vorbereitung – ’10
Besinnung auf einen Konflikt bzw. einen schwierigen Anderen: Bitte erinnern Sie sich an einen Konflikt oder einen schwierigen Anderen. Wichtig dabei ist, dass der Andere oder die Situation sie durchaus verärgert hat. Es kann sich dabei sowohl um einen offenen Konflikt handeln, als auch um eine unsympathische Person (oder Gruppe), bei der sie länger andauernde Spannungen spüren.
2. Die Stunde der Wahrheit – ’25
Die "Stunde der Wahrheit" ist eine Methode aus dem Psychodrama. Die Idee ist, dass der Protagonist nicht aus der coolen Metaperspektive über seine Situation spricht, sondern die Situation -wie bei der Aufführung eines Dramas- in das Hier und Jetzt holt und in dieser Situation spricht. Das Eintauchen in die eigene Konfliktsituation bietet einen direkten Zugang zu den Gefühlen. Mit der später folgenden Analyse taucht der Protagonist wieder auf und geht in die Metaperspektive.
Berater:
Ich möchte Sie einladen, einmal in direkter Rede zum Ausdruck zu bringen, was Sie an der anderen Person stört. Das können Sie hier ungehemmt und ehrlich sagen. Dies kann sehr aufschlussreich und auch befreiend sein (Katharsis). Später werden wir damit auch inhaltlich weiterarbeiten. Im ersten Schritt ist es nun nicht das Ziel besonders moralisch oder diplomatisch zu sein. Es bleibt ja unter uns 😉 Sie können ganz frei erzählen:
- "Hör mal, was mich an Dir wirklich stört ist …"
- "Als Du vor 3 Wochen XY gemacht hast…"
- "und deswegen denke ich: xxxx Dich, du Warmduscher!"
Also das Thema ist: Was stört Sie an dem Anderen, wie geht es Ihnen damit? Welche Situation ging gar nicht und was würden sie dieser Person gerne einmal sagen. Jetzt können Sie dies ohne Konsequenzen einfach einmal tun!
…
Sind Sie bereit, dass einmal auszuprobieren?
Der Berater wartet die Antwort des Protagonisten ab.
„Nein, ich will nicht“
Wenn ein „Nein“ kommt ist das ok: „Kein Problem, wir müssen es ja nicht so machen“. Wenn Sie als Berater neugierig sind und Informationen zum Beratungsprozess gewinnen wollen, können Sie hier auch Fragen: „Ich bin allerdings neugierig, warum möchten Sie nicht?“
Alternativ zur „Stunde der Wahrheit“ kann auch einfach ein Beratungsgespräch stattfinden: Der Protagonist erzählt, überlässt die Strukturieurng dem Berater. Dieser ermutigt zum erzählen, hört zu, fasst gelegentlich zusammen und vertieft dabei die Erzählung schrittweise zu den Gefühlen, Werten und Bedürfnissen des Protagonisten. Einzig um Konfliktlösungen geht es hier noch nicht.
„Ok, probieren wir es mal“
Eintauchen
Wenn Protagonist und Berater in einem Raum sind, kann ein leerer Stuhl den „schwierigen Anderen“ symbolisieren. Wenn es online stattfindet kann der Protagonist ein Glas oder Becher oder einen Punkt im Raum nehmen, um es als seinen „schwierigen Anderen“ anzusprechen. Der Berater lädt ähnlich wie oben dazu ein, diesen in direkter Rede anzusprechen. Oft beginnt der Protagonist eher zahm und läuft dann warm. Der Berater kann ermutigen und unterstützen. Der Berater kann nach etwas Zeit auch unterbrechen und Fragen „Wie viel % von Deinem Ärger ist das nun?“ und fragen: *“und wie wäre es bei 20% mehr?“. Oft geht es nach dieser Unterbrechung erst richtig los.
Auftauchen
Es ist wichtig ein klares Ende für die direkte Ansprache des schwierigen Anderen zu finden, z.B. mit „Wunderbar, vielen Dank – wir brechen jetzt hier ab“. Mit zwei Fragen kann der Berater die Protagonisten wieder in das Hier und Jetzt der Beratung bringen. Durch das pendeln zwischen „Wie geht es Ihnen jetzt?“ und „Wie erging es Ihnen gerade während der Übung?“ wird der Unterschied zwischen der Spiel- und Beratungsebene deutlich.
Durchatmen – Inneres Erleben
Nach dem Auftauchen ist es eine gute Gelegenheit, mit einem durchatmen das innere Erleben des Protagonisten zu würdigen. „Ich habe nun gehört, was sie dieser Person gerne einmal so alles sagen würden – wie geht es ihnen denn innerlich in dieser Situation? (/Welche Gefühle, Werte und Bedürfnisse erleben Sie in Bezug auf die Situation)“.
3. Wertequadrat – ’15
Nun erarbeiten Sie gemeinsam ein Wertequadrat zu dem Ärger bzw. dem Konflikt:
- Was stört den Protagonisten bei dem Anderen am meisten – worauf reagiert der Protagonist gewissermaßen allergisch? Finden Sie für diesen Allergieauslöser (Eigenschaft, Werthaltung) einen guten Begriff oder umschreiben Sie, worum es geht.
- Was könnte der Gute Kern dieser Eigenschaft oder Werthaltung sein?
- Was ist die Schwestertugend von diesem Guten Kern? Womit also sollte der gute Kern (in dynamischer Balance) ergänzt werden, um nicht zum Allergieauslöser zu werden. Dies ist der positive Wert des Protagonisten.
- Was wäre die Übertreibung dieses positiven Wertes? Dies ist die mögliche eigene Fehlhaltung, das eigene Risiko des Protagonisten.
- Im WQ finden sich in der diagonalen jeweils die Gegensätze. Checken Sie, ob das auch in Ihrem WQ so ist. Wenn nicht, können sie das WQ noch optimieren.
- Abschließend können Sie über die Stunde der Wahrheit und das erstellte WQ sinnieren: "Welche Bedeutung hat das WQ es für die Situation des Protagonisten? Was ist nun anders?"
4. Review im Plenum
Wir treffen uns im Plenum für ein Review der Erfahrungen und Methoden. Besprechen Sie dafür untereinander, welche Teile Ihrer Erzählung in dieser Übung vertraulich sind und somit nicht im Plenum besprochen werden sollen.